I.
Der Titel, den die Kölner Künstlerin Uta Rings ihrem Überblick über der Werkgruppen der letzten Jahre gegeben hat, kann einen kurz ins Stocken geraten lassen – und so ist er auch gemeint, soll man doch sogleich ins Nachdenken kommen. „Im Licht der Farbe“… Da das Licht die Ursache für das Erscheinen von Farbe ist, würde man eher vermuten, dass die Genitivkonstruktion umgekehrt ausfallen müsste: „Die Farben des Lichts“ etwa, oder, mit Goethes berühmter Formulierung gesprochen: Farben als die „Taten und Leiden des Lichts“. Aber freilich hat der Titel, so wie er dasteht, für die Beschäftigung mit den Arbeiten von Uta Rings einen präzisen Sinn. Er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Licht, das in den Farben ihrer Werke gespeichert ist, das aus ihnen herausleuchtet, auf das Bildlicht eben, das sich in den Farben manifestiert – oder aber auf die Farben etwa ihrer Glasarbeiten, die das sie durchdringende Licht entscheidend modifizieren. Außerdem kann man den Titel auch als Metapher auffassen: Er fordert dazu auf, die Arbeiten im Licht der Farbe zu betrachten, also zu bedenken, dass der Fokus auf der Farbe liegt – „Farbe“ natürlich immer im Plural gedacht als die Vielfalt der Farben.

Man kann Rings’ Arbeit daher durchaus als „Farbmalerei“ charakterisieren. Der Name trifft zu, bleibt aber doch reichlich vage und verlangt nach Präzisierung. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich ihre spezifische Auffassung von Malerei in wichtigen Aspekten aus der Beschäftigung mit zentralen Positionen und Fragestellungen der künstlerischen Moderne speist. Ein entscheidender Punkt sei schon vorweg hervorgehoben: der Zusammenhang von Kunst und Leben. Es geht Uta Rings nicht um eine selbstbezügliche, ganz auf den innermalerischen Diskurs bezogene Malerei, nicht um eine Malerei, die ausschließlich über die grundlegenden Parameter des Malens selbst reflektiert. Eine solche metamalerische Grundlagenforschung würde ihres Erachtens einen wichtigen Punkt verfehlen: Die Kunst soll einen Platz im Leben haben, einen Bezug zum Alltag. Daher sieht sie ihre Kunst nicht abgelöst von den existenziellen Lebensvollzügen wie Wohnen und Arbeiten. Kunst ist also Teil des Lebens und soll keinen exklusiven Status beanspruchen. Es hat unmittelbar mit dieser Einstellung zu tun, dass Uta Rings sich immer wieder mit Formaten abseits des klassischen Tafelbildes beschäftigt, mit raumbezogenen gemalten Friesen, Rauminstallationen, Arbeiten auf Glas oder Bilder mit Wachskreide auf Papier. Die Zeit der Zurückgezogenheit und Unsicherheit in der kritischen Phase der Corona-Pandemie nutzte sie  außerdem für die Konzeption einer Filmtrilogie namens „Rollwerk“, deren erster Teil bereits realisiert wurde.

II.
Ihr Sitz im Leben wird am ehesten bei den Friesen deutlich, von denen es bei Uta Rings zwei Typen gibt: die Leinwandfriese, wobei lange, schmale, mit Ölfarbe bemalte Leinwände zu einem an den Wänden umlaufenden „Band“ zusammengesetzt werden, und Wandfriese, die direkt mit Acrylfarbe auf die Wandflächen gemalt sind. Die Friese, die knapp unter der Zimmerdecke zum Beispiel einer Küche oder eines Arbeitsraumes angebracht sind, halten sich physisch aus der Zone der alttäglichen Verrichtungen heraus, man sieht sie  meist nur aus den Augenwinkeln oder am Rand des Gesichtsfelds, dennoch wirken sie beständig auf die Atmosphäre und auf das Selbstgefühl der Menschen im Raum ein. Zwischendurch, in Arbeitspausen oder Momenten des Nachdenkens, bieten die Friese den Augen im Nachvollzug ihres Verlaufs und des Wechsel der Farben einen Haltepunkt an.

Das Anliegen, die bildende Kunst mit dem alltäglichen Leben der Menschen zu verbinden, ist ein typisches Motiv verschiedener Avantgardebewegungen, vor allem in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Man findet sie im Bauhaus, bei den russischen Konstruktivisten und ebenso in der niederländischen Bewegung De Stijl, deren Ideen sich Uta Rings in besonderem Maße zugeneigt fühlt. Aus diesen Ideen heraus hat sie mehrfach künstlerische Konzepte umgesetzt, die konkret auf die reale Raumsituation in der Wohnung von Käufern ihrer Arbeiten abgestimmt waren. Der berühmte Kunstkäufer, der ein Bild danach aussucht, ob es übers Sofa passt, ist für sie kein Anlass für spöttische Kommentare, sondern jemand, der das legitime Anliegen hat, Kunst auf eine angenehme Weise in sein Alltagsleben zu integrieren. Dass sie dieses Anliegen ernst nimmt und gewisse Arbeiten auf spezifische Wohn- und Arbeitssituationen hin entwirft, ist kein Verlust ihrer künstlerischen Autonomie, sondern ein Beitrag zur Integration der Kunst ins alltägliche Leben.

III.
Bei den Friesen von Uta Rings fällt auf, dass sie stets mit der parallelen Anordnung von zwei oder drei Farbstreifen arbeiten. Farbkontraste sind ihr primäres Motiv. Im „Fries I“ von 1996 sind die schmaleren Randstreifen jeweils in einer unvermischten Tubenfarbe gehalten, während der breitere Innenstreifen eine sorgsam ausgemischte Modulation dieser Grundfarbe zeigt. Wer genau hinschaut, sieht auch andersfarbige Untermalungen, Unregelmäßigkeiten im Farbauftrag sowie unbemalte, die graue Leinwand frei lassende Stellen. Es handelt sich bei den Friesen also nicht um bloß mit Farbe ausgefüllte Formschemata, sondern um lebendige Malerei.

Der heikle Punkt bei jedem Fries sind die Wandecken. Dort wechselt die Verlaufsrichtung jeweils um 90 Grad. Bei den Leinwandfriesen stoßen die Einzelelemente in den Ecken zusammen. Eine äußerst elegante Lösung des Eckkonflikts hat Uta  Rings bei ihrer „Wandmalerei I“ für einen Küchenraum ersonnen. Auch hier sind die breiten horizontalen Farbstreifen von schmalen, in einer Kontrastfarbe gehaltenen Randstreifen eingefasst. In den Raumecken greift die Hauptfarbe immer ein wenig nach rechts in die jeweilige neue Farbe der nächsten Wand ein, während die dazugehörigen schmalen Streifen schon ein wenig links von der Ecke ansetzen. Es gibt also an den Ecken eine Verzahnung der wechselnden Farben miteinander, was die Vorstellung von Bewegung hervorruft, die sich über alle Wände des Raumes im Uhrzeigersinn hinzieht. Dieses dynamische Prinzip ist von großer Wichtigkeit; es verweist auf eine Eigenschaft, die man in verschiedener Ausprägung im Werk von Uta Rings beobachten kann: ihren Sinn für Rhythmik.

Dies kann man sich anhand ihrer vierteiligen „Installation mit vier farbigen Winkeln“ verdeutlichen, die sie 2003 im Verein für aktuelle Kunst in Oberhausen präsentierte. Jeder der vier Winkel besteht aus einer horizontal erstreckten breiteren Leinwand mit je einem kontraststarken Farbenpaar (gelb/hellrot, blau/rosa, orange/grün, rot/gelb), das dann am Ende, um 90 Grad versetzt, in etwas schmaleren Streifen senkrecht zum Boden geführt wird.  Der zweite und vierte Winkel setzen etwas höher an als die beiden anderen, sodass sich in der Betrachtung ein bei allem Minimalismus der formalen Lösung recht komplexer rhythmischer Bewegungsverlauf einstellt. Das Auge wird von links nach rechts geführt, wobei die Bewegung immer wieder abrupt nach unten schießt. Mit der Höhendifferenz der horizontalen Elemente ergibt sich ein weiteres, dezenteres Auf und Ab, dessen Gleichförmigkeit durch die von Winkel zu Winkel wechselnden farbigen Kontrastpaare differenziert wird.

IV.
Mit dem Rhythmus kommt ein für die Arbeit von Uta Rings wichtiges Element zur Sprache, das als solches gerade auch von der abstrakten Avantgardekunst nach dem Ersten Weltkrieg ausführlich thematisiert wurde, auch von De Stijl. Man denke nur etwa an Theo van Doesburgs abstrakte Komposition „Rhythmus eines russischen Tanzes“ von 1918 oder an Piet Mondrians „Boogie-Woogie“-Bilder der frühen 1940er-Jahre. Eine Rhythmisierung des Bildes findet sich aber ebenso Künstlern wie Paul Klee, Sophie Täuber-Arp oder Robert Delaunay.

Mit Delaunay hat sich Uta Rings genauer beschäftigt, was angesichts der zentralen Bedeutung von Licht und Farbe in dessen Malerei nicht verwundern kann. In seinem 1913 veröffentlichten, von Paul Klee übersetzten Text „Ueber das Licht“ schrieb Delaunay: „Die Natur ist von einer in ihrer Vielfältigkeit nicht zu beengenden Rythmik [sic!] durchdrungen. Die Kunst ahme ihr hierin nach, um (…) sich zu Gesichten vielfachen Zusammenklangs zu erheben, eines Zusammenklangs von Farben, die sich teilen, und in gleicher Aktion wieder zum Ganzen zusammenschließen.“ Im Werk von Uta Rings kann man eine Anknüpfung an diese Grundgedanken erkennen: Das Sichteilen und -verbinden von Farben in einem rhythmisierten Zusammenhang lässt sich schon in den Friesen beobachten. In seiner Dynamik unmittelbar anschaulich wird es in dem ersten Teil der Filmtrilogie „Rollwerk“, der den Titel „Lineas“ trägt. Der Film, der sich den Charme des Handgemachten, Improvisierten bewahrt, grüßt als ein abstraktes Spiel mit Licht, Farbe und Bewegung zu den gut 100 Jahren früher entstandenen ersten Experimentalfilmen des Bauhauses hinüber. Auch wenn Uta Rings hier mit filmischen Mitteln arbeitet, ist „Rollwerk“ doch eine Explikation von Themen, die sie auch in der Malerei verfolgt. Im filmischen Medium werden ihre malerischen Grundthemen auf andere Art anschaulich.

Rings arbeitet hier mit äußerst einfachen Mittel, mit farbigem Transparentpapier und einem quadratischen Raster aus schwarzer Pappe mit 24 mal 24 Öffnungen (von Hand geschnitten und daher gewollt unregelmäßig), das dem Geschehen im Film eine Formkonstante gibt. Im Vor- und Abspann des Films werden die auf schwarzen Karton montierten Wörter aus Buntpapier über eine Rolle nach unten geführt – daher der Titel „Rollwerk“ –, was sichtlich manchmal etwas hakt und dadurch Synkopen im Bewegungsablauf hervorruft. Das Filmgeschehen arbeitet mit statischen Farbarrangements, die durch harte Schnitte wechseln. Die eigentliche Bewegung entsteht durch ein rhythmisches Aufleuchten vor und hinter dem Papier, wodurch sich die Farbigkeit deutlich verändert, und unterschiedliche Farbwerte zuweilen wegen der Überstrahlung miteinander verschmelzen oder durch einen von links nach rechts, von oben nach unten huschenden Lichtschein modifiziert werden. So entsteht ein dynamisches, polyrhythmisches, synkopisch kompliziertes Geschehen, das aus nichts anderem als Farbe, Form und Licht besteht – und aus den titelgebenden „Lineas“, womit die linearen, bandförmigen Elemente gemeint sind, die in diesem ersten Teil der Trilogie thematisiert werden.    

V.
Der nicht einmal drei Minuten dauernde Film, den man sich auf der Instagram-Seite der Künstlerin anschauen kann, bietet einen guten Einblick in die wichtigsten Themen, die sie beschäftigen. Der Film ist, auf dem Laptop oder Smartphone betrachtet, die flächenmäßig kleinste Arbeit, die im vorliegenden Katalog dokumentiert ist. Es ist bemerkenswert, dass die mit Abstand größte Arbeit, die große Fensterinstallation, die Uta Rings im Rahmen ihrer Ausstellung „Drei Lilien für die Damen von Nidau“ im Kunstmuseum Gelsenkirchen 2010 vorgestellt hat, im Wesentlichen dieselben zentralen Themen bearbeitet – mit dem entscheidenden Unterschied freilich des Raumbezugs. Auf zwei Seiten des Raumes waren einer jeweils etwa 2,70 mal 10 Meter messenden, bis zum Boden reichenden Fensterfront jeweils sechs beidseitig bemalte Acrylglasplatten vorgeblendet. Da die Acrylfarbe sich mit  dem Untergrund nicht verbindet und beim Trocknen eine unregelmäßige, mit unterschiedlich großen Farbtropfen, Flecken und Pünktchen übersäte transparente Schicht auf der Oberfläche bildet, streut sie das einfallende Licht und erzeugt so eine milde, diffuse Farbatmosphäre im Raum. Hinter den hinterleuchteten Scheiben ahnt man die Strukturen der Fenster und die Schattenwürfe der Welt außerhalb. Da sich Lichteinfall und -intensität im Tagesverlauf permanent verändern, verändert sich auch das Erscheinungsbild der Fensterwände permanent – wenn man will, kann man dies wie einen abstrakten Film in Slow Motion betrachten. Glatte, hinterleuchtete Glasflächen prägen als Flachbildschirme von Smartphones, Computern und Fernsehern in hohem Maße die heutige Bildsozialisation der Menschen. In Rings’ Fensterinstallationen scheint ein Reflex dieser Alltagsästhetik mit ganz analogen Mitteln umgesetzt zu sein.

VI.
Der Bezug der Malerei zum realen Leben kann unterschiedlichste Ansatzpunkte haben. Bei den Wachsmalereien, die seit 2021 entstehen, ist es die Inspiration durch banale Badezimmerartikel wie etwa Handspiegel aus Plastik und andere massenhaft produzierte preisgünstige Dinge, wie sie sich heute praktisch in jedem Haushalt vorfinden. Bei genauerer Betrachtung ist es doch erstaunlich, wie viel Ästhetik in diese Objekte mit ihren glatten, farbenfrohen Oberflächen und ihrer funktionalen Form investiert ist. Die eigenwilligen runden, muschelförmig gebogenen oder quadratischen Formen, die in Rings‘ Wachsmalereien auftauchen, sind solchem Alltagsdesign abgeschaut, nehmen aber in der überdimensionalen Größe ein eigenes Leben an. Auffällig ist, dass sie die Bildformate entweder überschreiten oder so nahe an die Bildränder gerückt sind, dass die Hintergründe gar keinen Raum zur Entfaltung haben. Das auffälligste Gestaltungsmittel ist hier aber – wieder einmal – die Farbe. Die kräftigen, zuweilen fast ein wenig grell auftretenden Farben – Gelb, Dunkelgrün, Blau, Rosa – erweisen sich dem genaueren Blick als äußerst vielschichtig. Man kann nachvollziehen, wie hier mit Wachskreiden in mehreren Schichten immer wieder Farbmaterial aufgetragen wurde, bis sich eine dicke, teils poröse, meist aber glänzend fettige Oberfläche bildet. Farbe hat hier einen dezidiert materiellen Charakter, worauf der Obertitel dieser Blätter, „Cirages“, das französische Wort für Schuhcremes, zusätzlich hinweist.

VII.
Denken wir noch einmal zurück an die frühen Friese von 1996 und 1998. Ein Fries ist nach der Definition eines Architekturlexikons „ein horizontaler, bandartiger Streifen zur Gliederung und Dekoration einer Wandfläche.“ Und schauen wir auf den Titel der 2022 begonnenen Film-Trilogie „Rollwerk“. Unter einem Rollwerk versteht man „ein Zierornament, bei dem die Enden von Bändern, Blattranken oder Schwüngen schneckenartig eingerollt sind. Diese Gestaltungsform war bei Barockmöbeln Ende des 17. Jahrhunderts sehr beliebt.“ Zwei Hinweise also auf den weiten Bereich des Dekorativen und der Ornamentik. Das sind Themen, die in der modernen und zeitgenössischen Kunst eher mit Skepsis betrachtet werden. Aber es gibt prominente Ausnahmen wie etwa Henri Matisse, der ein ausgeprägtes Interesse an ornamentalen Formen hatte und das Dekorative als „etwas sehr Kostbares an einem Kunstwerk“ bezeichnete. Uta Rings schätzt Matisse sehr, insbesondere seine späten „Gouaches découpées“, die mit ausgeschnittenen farbigen Formen arbeiten – sicherlich auch deshalb, weil Matisse damit ungewöhnliche Wege der Malerei beschreitet. Rings hat ein mindestens entspanntes Verhältnis zum Thema Ornament und Dekoration – das Dekorative ist eben auch eine Brücke, die Kunst und Leben miteinander verbindet. In ihren Glasarbeiten, die ebenfalls eine recht ungewöhnliche Form von Malerei darstellen, spielt der Umgang mit ornamentalen Motiven in zweifacher Hinsicht eine wichtige Rolle.

Zum einen sind es Ornamentformen, die Uta Rings auf die Gläser aufträgt. Die Technik ist anspruchsvoll. Damit sie mit Acryl und Buntstiften überhaupt Farbe so auftragen kann, dass sie auf dem glatten Material haftet, muss sie die entsprechenden Stellen erst mit einem Diamantfräser aufrauen. Uta Rings hat mit verschiedenen Gläsern experimentiert, unter anderem auch mit der Autoscheibe eines ausgemusterten alten VW-Busses, neuerdings verwendet sie vornehmlich gegossenes Buntglas mit unregelmäßigen Oberflächen, sogenanntes Kathedralglas, das zuweilen zusätzlich mit feinen reliefhaft aufgesetzten Ornamenten versetzt ist. Solche Gläser, of in sanften Farben, Grün, Gelb, Blau, wurden besonders in den Fünfziger- und Sechzigerjahren sehr geschätzt und haben daher einen gewissen Retro-Charakter. Das Gemütliche, was dieses Gläsern unvermeidlich anhaftet, wird von der Künstlerin konterkariert, indem sie die ornamentalen Formen – Kreise, horizontale und vertikale Streifen, X-Formen, Schlangenlinien und so weiter – indem sie die Symmetrie der Bildelemente bricht und die Formen in einem expressiven, gestischen Duktus ausführt. Die Verletzung der Glasoberfläche birgt ja durchaus ein gewisses Maß an Aggressivität. Für Uta Rings wird die Verwendung von Ornamenten erst durch diese Maßnahmen zu richtiger Malerei.

Die Glasgemälde werden in geringem Abstand vor der Wand installiert, sodass das Licht sie von vorne und – als Reflexion – von hinten durchdringen kann. Sie zeigen ihre Motive im Licht der Farbe. Am späten Abend, wenn die Farben schwinden, spiegeln die glatten, unangetasteten Oberflächenpartien das Restlicht und lassen es geheimnisvoll funkeln.

 

Uta Rings – Die Aquarelle

Die Malerei von Uta Rings erstreckt sich über ein vielfältiges Spektrum von Methoden und Techniken, als Acryl- und Aquarellmalerei, auf Leinwand und Papier, als Diaprojektion und als Glasmalerei. Auch die Formate variieren zwischen handlichen Kleinformaten und monumentalen Raumarbeiten.

Zwei Faktoren aber geben diesen vielschichtigen Malereien eine verbindende Einheitlichkeit, eine eindeutige Handschrift: Das Thema der Farbe und die Motivfindung. Uta Rings malt ungegenständlich, aber nicht gegenstandslos; sie malt nicht mimetisch, aber auch nicht abstrakt. Ihr bildnerischer Ausgangspunkt ist immer ein gegenständliches Motiv, sei es ein architektonisches Gefüge, sei es eine alltägliche Raumsituation, banaler Hausrat oder ein ikonographisches Relikt, wie die Schiffszeichen oder die Heraldik. Das motivische Thema führt Uta Rings sowohl in Acrylgemälden als auch in Aquarell aus, wenngleich dieser Zusammenhang nicht notwendigerweise in zeitlicher Parallele erfolgen muss. So ist das Thema der „Türme“ oder der „Buden“ gleichermaßen in Acryl auf Leinwand wie in Aquarell auf Papier zu finden, und entstand, ebenso wie die „Gelsenkirchener Geschichten“, als schemenhaftes Relikt aus Architekturansichten.

Der „Stadtwappenserie“, die sich auf die drei Ausstellungsorte Gelsenkirchen, Bonn und Siegburg bezieht, liegt das heraldische Zeichen- und Farbsystem zugrunde. Von diesen ausgehend hat Uta Rings die Strukturen und Farbfelder extrem abstrahiert, hat die Details eliminiert und die eindeutig les- und zuordbaren Wappen zu autonomen Chiffren umcodiert. Das Ergebnis ist, wie eigentlich in allen Arbeiten von Uta Rings, eine wohlproportionierte Komposition scheinbar willkürlicher, aber exakt aufeinander abgestimmter Farbfelder, die sich in Formen und Farbwerten gegenseitig überlappen, ausloten und aktivieren. In zahlreichen Schichten übereinander gelegt, ergeben die transluziden Farbfelder in sich changierende, aus der Tiefe pulsierende Flächen, die eine tiefenräumliche Wirkung entfalten und sich zu einem Raum ausdehnen. Dabei treten die einzelnen Flächen innerhalb eines Bildes wie in einem Vexierbild in Konkurrenz zueinander und buhlen um den optischen Vorrang. Je nach Blick des Betrachters tritt mal die eine, mal die andere Farbfläche in den Vordergrund, während die jeweils anderen in ein räumliches „Dahinter“ zurückfallen. In dem Aquarell nach dem Siegburger Stadtwappen erscheint das räumliche Bild gar wie das Fragment eines Hauses mit angeschnittenen Fenstern und rechtwinklig dazu gekipptem Bürgersteig, obwohl es sich doch um die reine Darstellung farbiger Flächen handelt. In diesem bewegten Gegen- oder Miteinander der Flächen erscheint eine malerische Lebendigkeit, die die Werke von Uta Rings der Technik der lasierenden Mehrschichtigkeit verdanken, die sie bereits in den Acryl- und Ölgemälden sattsam erprobt hat.

Uta Rings gelingt es auch in den Aquarellen, diesen eine diaphane Leichtigkeit zu verleihen, eine Transparenz, die dem Aquarell eigentlich immanent ist, die aber eingedenk der Überlagerung zahlreicher Schichten ebenso gut stumpfer Indifferenz der Farbe vergehen könnte. In immer wieder seriell experimentierten Schichtungen – die bisweilen auch mal scheitern, weil sich das Papier dabei aufzulösen beginnt oder die Farbe tatsächlich versumpft – mit langen Trocknungsphasen dazwischen, nähert sich Uta Rings ihren Farbräumen an, regelrechten Farbkörpern, die sich in den Raum vorzuwölben oder hinter den Malgrund zurückzutreten scheinen.

Im Zusammenhang mit den drei „Stadtwappen“ hat sich Uta Rings mit der Heraldik und ihrer symbolträchtigen Formen- und Farbsprache befasst und hat eine Reihe kleinformatiger Aquarelle gemalt, in denen sie seit langem wieder zur runden Form, zur gebogenen Linie zurückfindet. Der Duktus an den Dornen-, Wellen- oder Schuppenschnitten ist gut nahvollziehbar, stellt eine besondere Herausforderung in der Handhabung des Materials dar, bildet aber auch eine besondere Dynamik und Schwingung aus, die in den anderen Aquarellen so nicht gegeben ist.

Eine andere Form der Herausforderung, die sich aus den Wappen ebenso ergibt wie aus der (in der Folge der Ausstellung im Hohlraum der Deutzer Brücke entstandenen) „Schiffszeichenserie“, ist das Kreuz, die Überlappung zweier Linien oder Streifen, die zwangsläufig vier Eckfelder entstehen lässt, oder das Schachbrettmuster. Jedes rechteckige Farbfeld wird individuell gesetzt, mit Fläche und Kontur, und dennoch vermitteln die Bilder von Uta Rings den Eindruck von ebenmäßig gewobenen Kompositionen. Assoziationen an gewebten Stoff, an Samt oder Seide, werden in vielen der Aquarelle wach; vielleicht unterstreicht die changierende Weichheit der Farbflächen und ihre aus der Tiefe entwickelten Modulationen diesen stofflich-morbiden Eindruck.

Nun setzt Uta Rings in ihren Aquarellen nicht eine Fläche stumpf gegen die andere. Wie in ihren Gemälden überschneiden und überlappen sich die einzelnen Farbflächen an den Stoßkanten. Hier verdichten sich die Lagen der dünn aufgetragenen Farben zu neuen Nuancen, und die Flächen erfahren eine räumliche Brechung, wie schon bei den „Turmbildern“, die Uta Rings dreidimensional in den Raum abkantete. Nicht nur, dass die Farbflächen entlang ihrer Demarkationslinien in Verbindung miteinander treten, die Künstlerin legt vor dem ersten Pinselstrich eine sparsame, aber doch sehr markante Struktur unter das Bild, besser gesagt in dem Malgrund an. Durch Faltungen, in der Senkrechten wie in der Waagerechten, gibt sie dem „Motiv“ eine Proportion, ein System vor, auf das die anschließend angelegten Farbfelder reagieren, sei es, dass sie sich dem vorgegebenen Rhythmus angleichen, sei es, dass sie sich ihm widersetzen, ihn ignorieren und übergehen. Auch an den Falzungen haftet die aufgetragene Farbe stärker, laufen die Pigmente zusammen, so dass sie sich verdichten und intensiver wirken als in der ausgebreiteten Fläche. Das Innen und Außen eines Farbraumes wird hier noch einmal pointiert und zum Pulsieren animiert, die Fläche scheint sich hier plastisch auszuwölben.

Dieses Zusammenwirken von Farbe in Fläche und Linie in besonders malerischem, fließendem Auftrag exerziert Uta Rings nicht nur an den kleinformatigen Aquarellen. Sie wagt sich auch in mittlere und große Dimensionen vor, in denen die Farbrolle den Pinsel weitgehend ersetzt, um eine ebenmäßige Verteilung der Farbe in der Fläche zu erzielen. In den schmaleren Partien, vor allem aber in den Grenzbereichen, bleibt der gezielte Einsatz des Pinsels das konzentrierte Korrektiv, um den Kampf der Flächen mit dem Raum, das Ringen der Farbe mit der Kontur zu dirigieren. Großformatige Rechtecke als in sich changierende Farbflächen dominieren hier die Bilder; sie werden eingefasst von schmalen, aber ihnen ebenbürtigen Streifen, die dem Auge einen spannungsreichen Widerpart liefern. Bei genauer Betrachtung fallen die Brechungen und Verkantungen auf, die im ersten Blick eher zu spüren als zu lokalisieren sind, „Fehlstellen“ oder Unterbrechungen der Farbfelder und –streifen, Hinter- und Überlappungen, die zum Reibungspunkt für die Farbschichtungen und für das sensible Auge werden. Hier entwickeln die Aquarelle in ihren großzügigen Formaten eine besondere Leuchtkraft, die sie wiederum den Glasarbeiten so anverwandt machen. In den „Gitter“-Aquarellen, die sich gedanklich mit den strukturierenden Markierungen von Spielfeldern assoziieren lassen, sammelt sich die Farbe an den Kanten und Falt- und Schnittstellen fast schon zu einer Rahmung, die an die Bleifassung der Glasmalerei erinnert. Hier tritt der diaphane Charakter der Aquarelle besonders zutage, hier scheinen die Pigmente aus der Tiefe zu leuchten, als befände sich jenseits des Bildträgers eine Lichtquelle, die durch die transparenten Schichten schimmert.

Wie die Gemälde bleiben die scheinbar kantigen Aquarelle von Uta Rings optisch ständig in leicht flirrender Bewegung; sie stehen in enger Verknüpfung zu den anderen Werkgruppen der Künstlerin, indem sie ebenso der paradoxen Frage nach der Darstellbarkeit von Raum durch Farbe in der zweiten Dimension und nach dem Verhältnis von Fläche, Raum und Begrenzung im Bild nachgehen.

Gundula Caspary

 

Die Leinwandbilder

Die Leinwandgemälde von Uta Rings bilden neben den Aquarellen das Grundgerüst ihrer künstlerischen Arbeit. Hier vollzieht die Künstlerin die Setzungen von Fläche, Raum und Farbe, die sie dann in weiteren Schritten in Diaprojektionen, Installationen und Raumsetzungen vertieft. Die malerische Qualität der Arbeit als eine, die sich im besonderen der Farbsetzung bedient, wird in diesen – auch groß- und mittelformatigen Werken deutlich.

Bei den Leinwandgestaltungen, die zu den ersten Ansätzen ihrer künstlerischen Arbeit gehören, verfolgte Uta Rings von Beginn an ihre persönliche Vorstellung bestimmter außerbildlicher Gegenstände, aus der sie die unterschiedliche Farbigkeit entwickelte. Die Farbigkeit ist dabei in ihren Arbeiten in dem Maße absolut gesetzt, dass sie weniger den materiellen Strukturen einer klassischen Farbmalerei folgt als vielmehr die visuellen Wertigkeiten und Potenziale von Farbe über die Materialität von Farbe hinaus als Signal und Symbolwert thematisiert, der sich maßgeblich in seiner qualitativen Ausprägung selbst in Szene setzt.

Bei den Wandgemälden und Tafelbildern, die Uta Rings in diesem Zusammenhang entwickelt hat, verzichtet sie deshalb auch oft auf das klassische Bildformat des Rechtecks oder Quadrates und wendet sich Sonderformaten zu wie dem Fries, der Stele oder dem Trapez. In der Veränderung der Bildfläche signalisiert sie ein neues Gewicht zwischen Farbe und Form, das sie für jede einzelne Kombination von Farbigkeiten durch die Malerei selbst neu entwickelt.

Horizontale und vertikale – bei den trapezförmigen Arbeiten1 natürlich schräge –Flächen korrelieren in besonderer Art und Weise miteinander. Oftmals aus dem weiter gefassten Spektrum der Komplementarität entwickelt, kombiniert Uta Rings immer wieder Farben, die sich in ihrer Gegenüberstellung durchaus als dialektisch und weniger unter harmonischen Gesichtspunkten definieren. Diese dialektische Farbsetzung provoziert an den Bildkanten, Rändern, Schnitten und Unterbrechungen, mit denen sie ihre Farbakzente setzt, eine Brechung der Fläche selbst und öffnet hier die Malerei einer offenen und letztlich auch Raum bezogenen Lesweise, wenngleich sie die Farbigkeiten bewusst nicht Raum bildend einsetzt, sondern mit ihnen stets Form und Flächen selbst thematisiert.

Im Verlaufe der weiteren Arbeiten kehrt Uta Rings zwar immer zum rechteckigen Bildformat zurück, das sie jedoch in Raum stiftenden Formaten wählt – wie die Friese, die den Raum durchziehen oder extrem hochformatige, schlanke, stelenartigen Formen, die dann aus mehreren Bildfeldern zusammengesetzt werden, wie beispielsweise die Farbtürme2. Hierin thematisiert sich verstärkt der Additive und serielle Charakter der Bildsetzungen von Uta Rings, wenngleich jede einzelne Arbeit für sich keinem seriellen Schema unterworfen ist, sondern sich lediglich in unterschiedlichen Farbigkeiten und Dichtigkeiten von Farbqualitäten voneinander unterscheiden. Die Aneinanderreihung der unterschiedlichen Farbelemente folgt stets einem für das einzelne Werk ganz dezidiert ausgewähltem Farbsystem, das zunächst an ein Farbmodul oder ein Farbregelsystem denken lässt, das aber stets aus sich selbst heraus in der Verschiedenartigkeit von Flächen, die gegeneinander gesetzt sind, entwickelt ist.

Im Kontext der Farbgegenüberstellung im einzelnen Bild entwickelt Uta Rings im Verlaufe öfter neben den klassischen Bändern, die sie an den Rand der Bildsetzungen platziert auch abgeschrägte Formen, die zunächst einen scheinbar illusionistischen Raum aufbrechen. Diese Raumillusion, die dabei zunächst entsteht, wird jedoch durch die Farbigkeit immer wieder aufgehoben und so entstehen gleichsam Vexierelemente im Bild selbst, die in einen ständigen Prozess des Kippens zu geraten scheinen. Die additive Aneinanderreihung unterschiedlicher Farbigkeiten jedoch bindet die Malerei selbst wieder so stark in die Fläche, dass jene sich zu verselbständigen scheinenden Bildelemente immer wieder auf die Fläche selbst zurückprojiziert werden und so die Bildfläche selbst in ihrer Eigenständigkeit und Deutlichkeit unterstreichen.

Solche farbwirksamen Elemente entstehen auch in den Arbeiten3, die Uta Rings großformatig realisiert hat und in denen sie die Farbigkeit in der Mitte und die Flächengestaltung im Zentrum in eine stärkere Transparenz überführt, die die Farbe zu einem illusionistischen Farbraum zu verändern scheint. Jedoch gelingt es ihr immer wieder durch die Rahmung dieser Farbflächen mit entsprechenden komplementären Farbigkeiten, ein Entgleiten der Farbe in den Raum einzudämmen, und so immer wieder auch die Bildgewaltigkeit der Fläche und der Farb- und Formsetzung zu bestätigen.

Gabriele Uelsberg

1) Werkgruppe „Leinwandbilder“: Blaues und Rotes Trapez
2) Werkgruppe „Leinwandbilder“: Farbtürme
3) Ausstellung „LVR-Landesmuseum Bonn“: Grau, Orange

Die Fotografien / Diaprojektionen

In den Farbinstallationen, in denen Uta Rings mit Diaprojektionen und farbigen Tafeln Räume gestaltet, greift sie zunächst auf das eigene Formen- und Farbspektrum zurück, sowie auf ihr System von zwei sich überlagernden interagierenden Farbschichten, das auch in den Leinwandbildern, Aquarellen und Glasmalereien eine zentrale Rolle spielt.

So sind beispielsweise in der Hansi-Projektion 1a1 acht farbige Tafeln in zwei übereinandergeordneten Reihen auf der Wand installiert, die als Projektionsfläche dienen und ein horizontal-vertikales Raster bilden. In der Hansi-Ausstellung wurde eine Serie von acht Dias in einem langsamen Rhythmus auf die Tafeln projiziert, sodass die Farbigkeit der Tafeln durch jedes neue Dia abgewandelt wird. Die Dias zeigen Farben und reale Oberflächenstrukturen aus Metall, Glas, Stein etc., welche die Künstlerin am Ausstellungsort vorgefunden hat.

Drei Kartons bilden die Projektionsfläche der Hansi-Projektion 1b2, deren minimale Farbigkeit Dunkelgrau, Weiß und Hellgrau von einer reduzierteren Farbigkeit der Dias (die Heizkörperrippen, der Fernseher etc.) überlagert wird. Im Unterschied zur Projektion 1a ragen hier die als Projektionshintergrund dienenden Tafeln über das projizierte Bild hinaus, sodass eine Verbindung zu dem dunklen Raum hergestellt wird.

Auch in der Second-Sunday-Projektion3 besteht die Projektionsfläche aus drei farbigen Tafeln, die übereinandergeordnet ein hochformatiges Rechteck bilden. Da die Second-Sunday-Ausstellung in einer Kölner Privatgalerie stattfand, stammen die Farben und Strukturen aus dem Wohnbereich, wie beispielsweise die Badezimmerkacheln, die Schranktüren und das Spülbecken etc., die jedoch in der Projektion und in den anschließend daraus entstandenen Fotografien nur noch rudimentär zu erkennen sind.

Ganz anders ist die Vorgehensweise bei der Schiffzeichenserie4, die für eine Ausstellung im Hohlraum der Kölner Deutzer Brücke entstanden ist. Utensilien wie Lampen und Flaggen sowie die Lichtzeichen, die im Schiffsverkehr zur Kommunikation verwendet werden, sind der Ausgangspunkt dieser Arbeit, die auf drei großen neutralen Projektionswänden zu sehen war. Bei dieser Thematik ist die außerbildliche Welt allerdings nicht direkt abgelichtet, sondern Uta Rings hat eigens für diese Diaprojektionen Farbobjekte und die entsprechenden Umfelder hergestellt, sodass die Gegenstandswelt durch den Prozess des Bauens und die sorgfältige Auswahl und Abstimmung der Farben bereits abstrahiert wird. Zur Malerei transformiert werden diese, aus diversen Lampen, farbigen Folien, Pappen und Fundobjekten gebauten Gegenstände jedoch erst durch den Akt des Fotografierens.

Durch die Fotografien und Diaprojektionen eröffnet sich der Malerin ein völlig neues Formvokabular und eine andere Präsenz der Gegenstände und Materialien der realen Welt, die so in ihrer Malerei, der auch Gegenstände zugrunde liegen, nicht mehr direkt wahrzunehmen ist. So nutzt sie beispielsweise Dreiecke, Streifen, segmentierte Kreise, Punktsysteme, unterbrochene Rastersysteme sowie reale Oberflächen aus Metall, Glas oder anderer Materialität, um mit ihren Farbkompositionen Bildräume zu gestalten, die unabhängig von der Form- und Farbkonstellation durch die Lichtprojektion im Dunkeln eine eigene Realität und Konsequenz erreichen.

Die in den Installationen umgesetzten Lichtbilder verbinden gleichsam Architektur, Farbe und Form in Einem, indem sie mit unterschiedlichen Oberflächen gleichzeitig und simultan verfahren. Die Farbigkeit und die Form sowie die Oberfläche der Materialität sind gleichsam übereinander geblendet und entwickeln so eine Textur und Strenge, die sich von der Architektur, vom Raum selbst durch die Dunkelheit ad absolutum setzt und den Betrachter ohne Ausweichmöglichkeit völlig in die Betrachtung miteinbezieht.

Was dem Betrachter in diesen Arbeiten nicht gelingt, ist die Bildgewaltigkeit für sich selbst zu fixieren und auf einen konkreten Realisationsgehalt hin zu überprüfen. Dies geschieht zwar auch in den Leinwand- und Aquarellbildern von Uta Rings, vollzieht sich dort aber in einem eher intellektuellen Verlauf. Bei den Diaprojektionen ist die Visualisierung von Farbe und Form so unmittelbar, dass eine distanzierte Reflektion darüber letztlich unmöglich wird und das Farb- und Formerleben unmittelbar und „unausweichlich“ wird.

Gabriele Uelsberg

  1. Werkgruppe „Diaprojektionen“: Hansi-Projektion 1a
  2. Werkgruppe „Diaprojektionen“: Hansi-Projektion 1b
  3. Ausstellung „Second Sunday“: Second-Sunday-Projektion
  4. Ausstellung „Deutzer Brücke“: Schiffszeichenserie

Glasmalerei im Kunstmuseum Gelsenkirchen

Interview der Museumsdirektorin Leane Schäfer (LS) mit der Künstlerin Uta Rings (UR)

LS: Frau Rings, im Kunstmuseum Gelsenkirchen zeigen Sie nicht nur Malerei auf Leinwand und Papier, sondern übertragen ihre malerischen Prinzipien auf einen ganzen Raum des Hauses. Ist das Ihre erste Rauminstallation?

UR: Bereits zum Ende der 90er Jahre habe ich mich mit Leinwandfriesen bzw. umlaufender Wandmalerei befasst. Dort habe ich mich auch von der Architektur und der Atmosphäre inspirieren lassen, wie beispielsweise bei der Second-Sunday-Wandmalerei in einer Privatgalerie in Köln oder bei den Leinwandfriesen in einem Kölner Wohnhaus. In bestimmter Höhe und Anordnung platziert hatten diese Arbeiten allerdings den Charakter von umlaufenden Bändern.

Im Gelsenkirchener Museum bot sich nun die Möglichkeit, den separaten pavillonartigen Kunstraum als Ausstellungsort zu gestalten. Das habe ich genutzt, um ein völlig neues Medium in meinem künstlerischen Schaffen zu erproben.

LS: Nun ist der Kunstraum mit seinen wenigen Wänden, den breiten Fensterfronten, dem unregelmäßigen Zuschnitt und mit seinen nicht rechtwinkligen Ecken nicht gerade leicht zu bespielen. Was veranlasste Sie, nicht die vorhandenen Wände für Ihre Präsentation zu nutzen, sondern die dazwischen liegenden vom Boden bis zur Decke reichenden Glasfronten mit Malerei zu versehen?

UR: Zur Vorbereitung dieser Ausstellung habe ich mir den Raum im Kunstmuseum Gelsenkirchen mehrfach angesehen: zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, bei wechselnden Lichtverhältnissen etc. und habe mich mit den Proportionen und mit der Materialität des Fensters und des Raumgefüges auseinandergesetzt. All diese Eindrücke, die den Ort bestimmen und vor allem die Größe der Glasfronten führten schließlich zur Konzentration auf die Glasmalerei. LS: Obwohl Sie nicht direkt auf die Glasfenster, sondern auf davor gesetzte Plexiglasscheiben malen, sprechen Sie bei der Rauminszenierung von Glasmalerei. Hängt das auch mit den schwarzen Rahmen der Fenstereinfassungen zusammen, die den Raum mit einem kräftigen Gittersystem überziehen? Bei Ihrer transparenten Malerei auf einem Rastersystem wird man schon an die Bleiverglasungen mittelalterlicher Kunst erinnert. Ist das Absicht?

UR: In der Tat greife ich die im Mittelalter aufgekommene Bleiverglasung auf. Die schwarzen Fensterrahmen und der gebaute Rahmen der Installation bilden ein Gerüst, das mit den Farbflächen kontrastiert, ähnlich den Bleiruten der traditionellen Bleiverglasungen. Dies wird jedoch aufgebrochen durch verschiedenartige Kanten, wie die Schattenkanten, das stumpfe Aufeinandertreffen zweier bemalter Glasplatten etc., die mit den Farbflächen der Glasplatten korrespondieren und so in das Gesamtbild integriert werden, sodass ein Zusammenspiel zwischen den Farbflächen und dem Gittersystem entsteht. Eine ähnliche Gitterthematik besteht auch unter anderem in meinen großformatigen Aquarellen, nur dass hier das Gitter farbig ist.

LS: Im Gegensatz zu anderen Wandbildern oder Leinwandarbeiten nutzen Sie hier einen transparenten Bildträger. Ist das für Sie eine neue Erfahrung, dass die Erscheinung der Farbe entscheidend von äußeren Einflüssen abhängt?

UR: Als Vorläufer dieser Einflussnahme durch die Umgebung sehe ich meine Diaprojektionen, Auch hierbei spielen die Umgebung, das Beleuchten bzw. Abdecken oder Abschalten der Lichtquelle eine wesentliche Rolle. Jetzt sind es allerdings äußere Einflüsse wie der Lichtwechsel im Tageszeitenrhythmus oder veränderte Witterungsbedingungen, die die Farbe im Bild beeinflussen.

LS: Gibt es trotzdem Parallelen zu ihrer malerischen Vorgehensweise in den Leinwänden?

UR: Ja, ich habe in den Leinwandbildern und Aquarellen ein System von zwei sich überlagernden Schichten entwickelt – einer opaken Untermalungsschicht und einer transparenten Übermalungsschicht, die im annäherndem Komplementärkontrast präzise aufeinander abgestimmt sind.

In der nun entstandenen Glasmalerei greife ich dieses Prinzip auf. Im Gegensatz zu der traditionellen Glasmalerei bemale ich das Plexiglas beidseitig, wobei die etwas dichtere Schicht auf der Rückseite und die transparentere Schicht vorne ist. So entsteht eine minimale Distanz zwischen den beiden Schichten, wodurch eine besondere Art der Farbtiefe entsteht. Hinzu kommt, dass dieses Phänomen in dem pavillonartigen Raum sowohl von innen als auch von außen zu sehen ist.

LS: Eine letzte Frage: Ist diese Auseinandersetzung mit der Glasmalerei ein einmaliges Experiment oder sehen Sie eine Fortsetzung dieses Weges?

UR: Es war eine spannende Herausforderung, sich auf diese Art der transparent werdenden Malerei einzulassen. Sicher werde ich, sollten sich weitere Gelegenheiten ergeben, diese Dimension der Immaterialität in der Malerei weiter verfolgen.

Juli 2010

Mit der Ausstellung von Uta Rings im Kunstraum 21 erweitert dieser sein Programm um eine dezidiert malerische Position. Unter dem Titel  Rot stört Grün werden aktuellste Arbeiten präsentiert, die farbliche Spannungsverhältnisse in ungewöhnlichen Bildformaten thematisieren.

Vordergründig wird das innerbildliche Spannungsfeld durch zwei kontrastierende Farbwerte hervorgerufen, die Uta Rings in ihren jüngsten Arbeiten vornehmlich mittels einer bildbeherr-schenden Fläche und einem begrenzenden Seitenstreifen bzw. einem zentralen Mittelstreifen anordnet. Bei genauerer Betrachtung jedoch birgt die transparente Bildoberfläche bereits viele zugrundeliegende Farbschichten, die die verschiedenen Prozessebenen des individuellen Farbauftrags erahnen lassen und die Fläche in die Tiefe hinein öffnen. Die Farbe scheint sich auf den Bildträger zu legen, sich zu verdichten und diesen letztlich aufzulösen. Eine abschließende Übermalung der gewählten Grundfarbe mit einem breiten, wässrigen Pinselstrich zumeist in der Komplementärfarbe verstärkt den Eindruck einer vibrierenden Oberfläche, die von innen heraus zu leuchten beginnt. Die farblich und formal scharf abgesetzten Streifen in der Mitte oder am Bildrand intensivieren die Wirkung der Farbfläche als atmender Farbkörper gerade durch ihre begrenzende Funktion. Es scheint, als würde sich die räumliche Energie des Phänomens ‚Farbe’ erst in der Abgrenzung gänzlich entfalten.

Die Verbindung des Heterogenen ruft eine unter- und hintergründige Spannung hervor, die das Bild zum Flirren bringt. Das Brodeln der Gegensätze wird zudem gesteigert durch die jüngsten, ungewöhnlichen Bildformate, die Uta Rings als Trapeze oder Sechsecke selbst fertigt. Dort, wo der rechte Winkel fehlt, gerät die Gleichzeitigkeit von Instabilität und Überspannung zu einer malerischen Brisanz, die die Farbe für einen Moment zum körperlich-lebendigen Gegenüber werden lässt. Gesteigert wird dieser Eindruck dreidimensionaler Farbvolumina durch teilweise raumgreifende Keilrahmen-Kästen, die die Bilder ganz buchstäblich in den Raum hinein ragen lassen. Das Bild springt vor und zurück, zieht den Betrachter in das Bild hinein und führt ihn im nächsten Moment aus ihm heraus. Auch die Behandlung der Seitenränder, die die Fläche nicht statisch einrahmen, sondern nach eigenen Gesetzmäßigkeiten umspielen und in seiner Andersartigkeit aktivieren, erzeugt eine produktive Polarität. Mit den wechselnden Konstellationen von Seiten und Fläche, Farbe und Form, Bild und Raum scheint sich auch die Wahrnehmung zu verändern – auf dass sich ein neuer Spannungsbogen mit den anderen Werken und mit dem Betrachter ergebe.

Ulli Seegers

Die Malerei von Uta Rings

Ein über siebzehn Meter langes Wandbild ist der zentrale Ausstellungsbeitrag von Uta Rings (Abb. S….). Sowohl in Konzeption als auch Realisation finden die spezifischen Aspekte ihrer Arbeit hier zu einer idealen Verbindung, die kaum mehr zu übertreffen ist. Denn es ist die Farbe in ihrer räumlichen Ausdehnung, um die es dieser Malerei geht. Und das zeigt sich nirgends so leichthändig, selbstverständlich und auf den Punkt gebracht – kurz: überzeugend – wie wenn sich die Arbeit an dem Ort, für den sie entstanden ist, präsentieren kann. Dieses Wandbild kann nur für diese eine Wand geschaffen worden sein. Nur hier korrespondieren Winkel, Höhe und Breite der Einzelsegmente, ihre Farbigkeit und ihr Rhythmus mit genau diesen Proportionen der ehemaligen Werkhalle, deren Raumvolumen eingespannt wird zwischen der dunklen Fläche des über die Jahre und die Generationen hinweg stark beanspruchten Fließenbodens und der in die Vertikale und über den menschlichen Maßstab hinausschießenden Dachkonstruktion.

Horizontale und Vertikale bilden zusammen den rechten Winkel, der in dieser frei die Wand bespielenden Form in der Malerei von Uta Rings so zum ersten Mal auftaucht. Der rechte Winkel nimmt in ihrer Arbeit naturgemäß eine herausragende Stelle ein, bildet er doch sowohl für die Bildfläche als auch für den Raum die grundlegenden Bezugspunkte. In ihren früheren farbigen Raumgestaltungen, bei denen Farbbänder in der Art eines rundumlaufenden Wandfrieses um die Wände gezogen wurden, lässt sich am Problem der Ecke die Bandbreite zwischen raumeinebnenden, die Fläche betonenden und im Gegensatz dazu die Tiefe des Raumes betonenden Farbwirkungen verdeutlichen. Sehr unruhige, durch viele Wandversprünge aus dem Lot geratene Räume werden „beruhigt“ durch eine entsprechende Verzahnung der Farbbänder in den Ecken: Die Farbe verläuft über die Raumgrenze hinweg. Im Oberhausener Wandbild werden durch die Farbe sowohl Flächen miteinander verbunden, wenn das Farbband hinter der fest installierten Ausstellungswand einfach durchläuft, als auch neue Räume geschaffen. Die genau aufeinander abgestimmte Zweifarbigkeit bewirkt eine Aktivierung der Farbkanten und Farbflächen. So variiert der tiefenräumliche Eindruck jedes einzelnen Segments je nach dem Wechselspiel zwischen eher nach vorne, nach unten, nach hinten oder nach oben tendierenden Farben – um in der Gesamtansicht konterkariert zu werden von den Sprüngen zwischen höheren und niedrigeren Einzelsegmenten. Dort, wo die vier Farben der jeweils benachbarten Segmente aufeinandertreffen, ist die Spannung am stärksten; von hier aus breitet sie sich über die Wand in den Raum aus. Der schwingende Rhythmus dieser Arbeit hat auch viel mit der leicht zu übersehenden Tatsache zu tun, dass die vertikalen Farbbänder deutlich schmaler gehalten sind, als die horizontalen. Es versteht sich fast von selbst, dass diese ausbalancierte, einem strengen Raster ebenso wie der individuellen, subjektiven Empfindung verpflichtete Erscheinung wie in Farbe umgesetzte Musik erscheint.

Die Verzahnung von farbigen Flächen und Architektur als Mittel einer klaren, nicht-illusionistischen Raumgestaltung ist geprägt durch die radikalen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie De Stijl, das Bauhaus oder der Russische Konstruktivismus. Uta Rings verbindet diese frühen gesamtästhetischen Konzepte mit den Möglichkeiten einer differenzierten Farbmalerei. Durch die Auseinandersetzung mit den elementaren Grundbedingungen der Farbe erfährt deren tiefenräumliche Wirkung eine neue Wertschätzung. Für die Malerei von Uta Rings eröffnet sich hier ein unerhört breites Spektrum, da die geringfügigsten Verschiebungen der Ausgangssituation schon zu völlig anderen Farbwirkungen führen können. In den „Küchenserien“ (Abb. S…) spielt Uta Rings mit der Beziehung zwischen plastischem Volumen des Bildträgers und tiefenräumlicher Ausdehnung der Farbe. Sie trägt eine „flache“ Farbe auf einen flachen, ein „voluminöses“ Rot auf einen kastenartigen Bildträger auf. Die Farbfläche gewinnt Räumlichkeit durch die Art des Farbauftrags, durch die Überlagerung verschiedenfarbiger Schichten, die Begrenzungen in komplementären oder benachbarten Farben, die eher pastellige oder starkfarbige Ausmischung… jede irgend noch wahrnehmbare Differenz verursacht einen Unterschied, der das Ergebnis in eine völlig neue Richtung steuern kann.

Die Bildpaare der „Schwarz-Weiß-Serie“ (Abb. S…) nehmen die „Unfarben“ Schwarz und Weiß als Ausgangspunkt – aber welche Differenziertheit, welche Vielfalt lässt sich daraus entwickeln! Die Spannung zwischen Gegensätzlichem und nah Verwandtem wird sowohl in der Form als auch in der Farbigkeit durchgespielt. Dazu kommt eine subtile Verzahnung der Flächen, die dem Bildobjekt etwas ungemein Körperliches geben: Schwarz und Weiß, ins Gelbe, Rötliche, Bläuliche oder Grünliche spielend, nehmen die größte Fläche des Querformats ein und sind als zentrale Hauptfarben horizontal aufgetragen; im Gegensatz dazu verlaufen die schmalen, rahmenden Farbstreifen vertikal. Eine wichtige Rolle in der Vermittlung zwischen den äußeren Rahmenstreifen und der Fläche nimmt die dritte Farbe ein, die durch Überlappung der Fläche und der Randstreifen entsteht. Die so erzeugte Transparenz lässt die sich horizontal ausbreitende Fläche wie unterfüttert oder in einem Passepartout gehalten erscheinen. In der Malerei von Uta Rings gehen Farbe und Form eine untrennbare räumliche Einheit ein.

Sabine Müller